Um die praktische Beizjagd ausüben zu können, bedarf es – wie bereits gesagt – einiger Voraussetzungen. Es sind dies: der Falknerjagdschein, eine Jagderlaubnis, ausreichend Zeit zum Jagen und Wild, das man bejagen kann und möchte. Um erfolgreich die praktische Beizjagd ausüben zu können, bedarf es aber noch einer weiteren Voraussetzung: einer durchdachten Saisonplanung. Die erfolgreiche Falknerpraxis beginnt nicht erst im Revier, wenn der Beizvogel nach Wochen des Abtragens bereit für die ersten Jagdflüge ist, sondern sie beginnt Monate vorher, lange bevor der erste oder neue Vogel im eigenen Garten zu stehen kommt. Meist werden hier schon entscheidende Fehler gemacht.
Über die Auswahl des Vogels sollte nicht nur der Geschmack oder die Vorliebe des Falkners entscheiden, sondern seine Jagdmöglichkeiten, die aktuellen Wildverhältnisse und die Zeit, die er für die Falknerei täglich zur Verfügung hat. Dies gilt übrigens gleichermaßen für Anfänger wie für erfahrene Praktiker. Vor dem Aufstellen eines Beizvogels sollte sich daher jeder Falkner die folgende „Drei-W-Frage“ beantworten:
Wann kann ich wo mit meinem Beizvogel was beizen?
Erst wenn diese Frage hinreichend beantwortet ist, rechtfertigt sich die Anschaffung eines eigenen Beizvogels. Einige Beispiele:
Bevor die (falsche) Entscheidung zur Anschaffung eines Sakerfalken für die Krähenbeize (oder die richtige für einen Wanderfalken) getroffen wird, müssen im Jahresverlauf ausreichend Reviere organisiert worden sein. Auch sollte man sich bereits im Vorjahr über die Verteilung der Jungkrähenschwärme informiert haben, denn diese spielen beim Einjagen des Krähenfalken im Spätsommer eine fundamental wichtige Rolle. Ist dies nicht geschehen, sollte man seine Ambitionen ins nächste Jahr verschieben. Wer im Oktober oder November mit dem Einjagen eines Krähenfalken beginnt, vielleicht gar nur in ein oder zwei Revieren, ist zum Scheitern verurteilt. Die dann voll beflogenen Krähen werden den unerfahrenen Falken schnell demotivieren.
Oder: Was nützt das schönste Fasanenrevier, wenn man für den neuerworbenen Falken keinen bereits laufenden Vorstehhund hat? Es nützt überhaupt nichts! Vielmehr sollte man in diesem Jahr auf einen Falken verzichten und seine Zeit besser in die Ausbildung eines jungen Hundes investieren. Die Investition wird sich in den nächsten Jahren mit Zins und Zinseszins auszahlen. Gute Anwartefalknerei steht und fällt mit der Hundearbeit, die Erfolge von Prof. Christian Saar, Franz Carton, Klaus Leix, Konrad Kohlert, Gerd Geerdsen u.a. sind dafür belegende Beispiele.
Oder: Sie haben ausschließlich Jagdgelegenheit in stadtnahen Revieren. Hier macht es wenig Sinn, einen Wildfanghabicht abzutragen. Sind die bejagbaren Flächen zudem eng und dicht bepflanzt, kann die Auswahl eines Terzels von Vorteil sein. Auf den Punkt gebracht:
Noch bevor der neue Beizvogel in der Zuchtkammer aus dem Ei geschlüpft ist, sollten idealerweise die Vorbereitungen am äußeren Umfeld der bevorstehenden Saison abgeschlossen sein.
Es bleiben noch genügend Variablen und Eventualitäten bestehen, die einem zum gegebenen Zeitpunkt das Leben mit dem abzutragenden Vogel schwer genug machen werden. Gesagtes gilt gleichermaßen für jeden Vogel in der Mauser. Auch hier sollten alle Vorbereitungen für die neue Saison getroffen sein, bevor der Vogel aus der Kammer genommen wird.
Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Falknerpraxis sind Jagdgelegenheiten und ausreichend Beizwildvorkommen. Gab es früher kaum einen Landstrich, der wirklich gänzlich ohne potentielles Beizwild war, muß man heute differenzieren. Wer keine Hühner, Fasane, Hasen oder Kaninchen mehr in der näheren Umgebung hat, muß sich fragen, ob er bereit ist, mehrmals wöchentlich oder zumindest jedes Wochenende 50 Kilometer oder mehr in bessere Reviere zu fahren. Für Anwartefalkner ist das eine Selbstverständlichkeit, ebenso für Krähenfalkner! Auch darf man sich nicht zu schade sein, auf Friedhöfen oder Industrieanlagen zu beizen. Mit einem schlecht abgetragenen Wildfanghabicht wird man hier jedoch kaum eine Chance haben (und wohl auch wenig Freude). Dies ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb man vorher wissen muß, wo man auf welches Wild beizt, damit man bereits bei der Auswahl des Beizvogels (und später beim Abtragen) die richtigen Weichen stellen kann (umgekehrt wird das kaum gehen). Und außerdem: Auch Enten, Möwen, Elstern und Krähen sind sehr gut jagdbares Beizwild, wenn sie denn zur Jagd freigegeben sind (dies gilt für Falken und Habichte gleichermaßen).
Was bleibt sind die klassischen Beizwildarten Hase und Fasan. Beide erfreuen sich in den letzten Jahren wieder ansteigender Besatzzahlen auf teilweise nicht mehr für möglich gehaltene Höhen. Fast ist man geneigt zu glauben, daß es in manchen Revieren bald mehr Hasen und Fasane als Kaninchen gibt. Das fleißige Mithelfen im Revier (z.B. bei der Raubwildbekämpfung) sowie die obligate Flasche Wein zu Weihnachten sollten helfen, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Denn eines sollte man nicht glauben, daß es irgendwo noch einen einzigen Revierpächter gibt, der aus schlichter Begeisterung für das alte Kulturgut „Falknerei“ nur darauf wartet, daß man bei ihm Hasen und Fasane beizt. Dazu ist meist mehrjährige Überzeugungsarbeit notwendig – und Bescheidenheit! Klein anfangen, z.B. am Ortsrand, am Rand von Industrieanlagen oder um Schrebergärten ist allemal besser als nicht beizen zu können. Mit der eingeschränkten Jägerprüfung ohne Waffenteil ist man keinem Revierpächter eine Hilfe, nicht bei der Fuchsbejagung, nicht bei der Schwarzwildkontrolle, nicht bei der Fallenjagd! Jedem angehenden Falkner sei daher unbedingt geraten, die komplette Jägerprüfung abzulegen.
Was aber tun, wenn alle diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind und es tatsächlich kein geeignetes Beizwild gibt bzw. man keine Jagdmöglichkeiten findet? Ist dies wirklich der Fall, dann sage ich klipp und klar: sich keinen Beizvogel aufstellen! Meist jedoch finden sich Wege, um diese Ultima ratio zu vermeiden.
Birdsharing
Auf das Aufstellen eines eigenen Beizvogels zu verzichten, heißt nicht, seine Falknerleidenschaft sprichwörtlich an den Nagel hängen zu müssen. Auch hier ist wieder Kreativität gefragt: Stichwort „Birdsharing“. Was ist damit gemeint? Ganz einfach: Viele moderne Falkner leiden nicht nur unter Wild-, sondern auch Zeitmangel. Ein für alle Beteiligten (Menschen und Vogel!) geradezu ideale Lösung kann da sein, daß man sich einen Vogel über die Beizsaison, bei genügendem Wildvorkommen auch abwechselnd unter der Woche, teilt (engl. bird = Vogel, sharing = teilen). Die Vorteile liegen auf der Hand: der Vogel wird häufiger geflogen und rasch zu einem sehr erfahrenen und erfolgreichen Jäger. Man selbst kann sich untereinander, z.B. bei der Saisonplanung oder beim Jagdurlaub, absprechen, so daß der Vogel quasi kontinuierlich geflogen werden kann. Mancher beizt lieber im Herbst, ein anderer bevorzugt den tiefen Schnee im Dezember und Januar. Geschickt geplant, kann ein Habicht z.B. auf Norderney oder ein Falke in Schottland sechs Wochen geflogen werden. Die ersten zwei Wochen von Falkner A, die zweiten zwei Wochen von Falkner B usw. Außer der hoffentlich nicht fehlenden Befriedigung, daß das Erreichte nicht ausschließlich dem eigenem Können erwachsen ist, bleibt die Freude auf und an der Jagd die gleiche.
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