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Es ist der bleibende Verdienst des Bonner Historikers Carl Arnold Willemsen, mit seiner kritischen Übersetzung der sogenannten Sechs-Bücher-Fassung, der interessierten Nachwelt das gesamte faszinierende Werk Friedrichs II. über die Natur der Vögel und die Falknerei zugänglich gemacht zu haben. In den Kriegswirren 1943 erschien die erste kritische lateinische Textausgabe, die alle bekannten Handschriften berücksichtigte, und darauf fußend im Jahr 1964 die zweibändige deutsche Übersetzung. 1970 rundete Willemsen sein Lebenswerk mit einem Kommentarband, gleichermaßen für die lateinische wie auch die deutschen Ausgabe, ab. Die vorliegende Neuauflage ist ein unveränderter Nachdruck der im Insel-Verlag erschienen beiden deutschen Textbände von 1964, die je nach Einband (Halb- oder Vollpergament) heute (Stand 2002) Preise zwischen EUR 1.200,00 und EUR 1.600,00 erzielen. |
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Nicht zu verwechseln ist die Willemsen-Übersetzung mit der sogenannten Pacius-Ausgabe von 1756, die die erste deutsche Übersetzung (angefertigt für den "wilden Markgrafen" Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach) darstellt und im Jahre 1994 einen Reprint erfuhr. Diese in Fraktur gesetzte Druckschrift basiert auf den - damals einzig bekannten - beiden ersten Büchern des kaiserlichen Werkes, die sich mit der Natur der Vögel und der allgemeinen Falknerei befassen. Zu dieser sogenannten Zwei-Bücher-Gruppe zählt gleichfalls die durch ihre reichen Illustrationen berühmte "Manfred-Handschrift" der Bibliotheca Apostolica Vaticana in Rom (s.u.). Lange Zeit glaubte man mit diesen beiden ersten Büchern das kaiserliche Werk komplett. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte man, daß verschiedene lateinische Handschriften (so in Bologna, Nantes, Valencia, Paris, Rennes, Oxford) neben den beiden ersten weitere vier Bücher enthielten.
Die älteste dieser Handschriften, die Ms. lat 419 (717) Bologna, wird auf das ausgehende 13. Jhdt. datiert. Wenn auch nicht unmittelbar von des Kaiser Prachthandschrift, so wurde doch wohl ihre Vorlage noch vom kaiserlichen Original abgeschrieben. Die reich verzierte und prunkvoll aufgemachte Originalhandschrift Friedrichs, zu deren Vorarbeiten, wie der Kaiser selbst ausführt, er fast ein Menschenalter benötigte, gilt seit Mitte des 13. Jahrhunderts als verschollen. Als am 18. Februar 1248 die Einwohner der belagerten Stadt Parma in der Morgenfrühe zum Sturm auf die kaiserliche Lagerstadt Vittoria antraten, befand sich der Kaiser - wie sollte es anders sein als besessener Falkner - mit seinem Sohn Manfred und großem Gefolge auf der Beize. Vittoria wurde überrannt, und so fiel die Prachthandschrift wie viele andere Kostbarkeiten seines Kronschatzes in die Hände von Plünderer. Den letzten gesichterten Hinweis auf die Existenz der kaiserlichen Handschrift belegt ein Brief aus dem Jahr 1268, in dem ein gewisser Mailänder Guilielmus Bottarius das Werk dem Erzfeind der Staufer in Italien, dem Grafen Karl von Anjou, anbot. Seitdem verliert sich die Spur dieses Schatzes der Literaturgeschichte im Dunkeln. Auf die Zeit zwischen 1250 und 1300 datieren jedoch wenigstens eine, wenn nicht sogar zwei lateinische Komplettabschriften, die wiederum der o.g. Bologna-Handschrift und einer weiteren Kompilation als Vorlage dienten. |
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Einige Jahre nach dem Tod seines Vaters (1250) ließ König Manfred das väterliche Werk aus Konzepten und Notizen Friedrichs II. neu verfassen. Es entstand neuerlich eine reich bebilderte Prachthandschrift, allerdings nur in der Zwei-Bücher-Version - vielleicht ist aber auch nur ein zweiter Band verloren gegangen, die im 14. Jahrhundert in Frankreich auftaucht. Zu dieser Zeit entstehen verschiedene altfranzösische Abschriften, von denen die am schönsten illustrierte Handschrift (Paris, Ms. fr, 12 400) Vorlage für die Farbtafeln der deutschen Willemsen-Übersetzungen war. 1594 tauchte die Manfred-Handschrift plötzlich in Nürnberg auf, im Besitz des Artzes und Naturforschers Camerius. Von diesem lieh sich der Augsburger Patrizier und bedeutende Humanist Marcus Welser die Handschrift für seine im Jahr 1596 erschienene editio princeps aus. Wenige Jahre später gelangte die Manfred-Handschrift auf unbekanntem Wege in den Besitz der pfälzischen Kurfürsten von Heidelberg. Als Zeichen des Dankes für den Sieg der katholischen Liga über die protestantische Union schenkte Herzog Maximilian I. von Bayern im Jahr 1623 die Bestände seiner Biblioteca Palatina - darunter auch die Manfred-Handschrift - Papst Gregor XV. Seitdem gehört dieser einzigartige Kodex zu den wertvollsten Handschriften der Biblioteca Apostolica Vaticana (ein komplettes, in Leder gebundenes Faksimile erschien 1969 bei der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz, davon erst kürzlich - im Jahr 2000 - eine Neuausgabe in verkleinertem Format).
Wurde des Kaisers Werk "Über die Kunst mit Vögeln zu jagen" auch anfänglich zahlreich kopiert, blieb ihm die Anerkennung und das Verständnis für seine profunde Inhaltlichkeit doch verwehrt. Zu neu, zu modern, zu innovativ - ja zu komplex - waren des Kaiser Ausführungen und Ansichten, als daß seine Zeitgenossen ihn hätten verstehen können. Dem Willen, "die Dinge, die sind, so wie sie sind, darzustellen", entsprach auch seine Überzeugung, "Gewißheit erhält man nicht mit dem Ohr". Der Kaiser verließ sich nicht auf das, was man ihm sagte (oder was seit altersher geschrieben stand), er suchte seine Aussagen zuvor durch Beobachtungen und Experimente zu erhärten. Diese strenge Arbeitsweise erlaubte ihm in einzelnen Fragen zu Erkenntnissen zu gelangen, die seiner Zeit weit vorauseilten. So konnte er auf dem Gebiet der Verhaltensforschung zu Einsichten gelangen, die erst von Konrad Lorenz - also 700 Jahre später - übertroffen wurden. Nur zu verständlich, daß ihm die zeitgenössische Wissenschaft nicht folgen konnte.
Der Kaiser empfand die Beizjagd als eine besondere Kunst und zeichnet den idealen Falkner in seinem Werk als den "vollkommenen Menschen", wie er ihn - vielleicht - für sich selbst ihn Anspruch nahm. Seine Einblicke, die er gewährt in die hohe Kunst der Falknerei, sind in ihrer Tiefgründigkeit bis heute unerreicht. Erst nach mehrmaligem Studium verbunden mit der eigenen langjährigen, oft mühevollen Falknerpraxis, begreift man langsam die Dimension an Natur-, Wild- und Beizvogelverständnis, in die Friedrich II. vorgedrungen ist.
Und so ist es denn auch seine Schöpfung "De arte venandi cum avibus", die ihn persönlicher greifbar macht, als alles andere, was uns bis heute aus seinem Schaffen erhalten blieb. Was sein Falkenbuch mit besonderer Faszination offenbart, ist sein nie erlahmender Forscherdrang, seine unbestechliche Verantwortung gegenüber Tatsachen und Dingen, die er als gegeben erkannte, seine Anforderung an den Körper, Geist und Charakter, und dazu seine Leidenschaft, das als richtig oder zweckmäßig erkannte Ziel allen Hindernissen zum Trotz bis zum Ende zu verfolgen. Das alles erklärt uns den Menschen Friedrich II., wie er auch sonst zum Übermaß seiner Aufgaben und Anliegen bewußt den Weg durch die Geschichte nahm. | |