Das Lernen wird beim operanten Konditionieren also im wesentlichen durch Verstärker bestimmt. Der Einsatz der Verstärker hat entsprechend wohl überlegt und dosiert zu erfolgen. Man kann gleichmäßig oder aber variabel verstärken. Im ersten Fall werden gleiche Handlungen immer gleich belohnt. Der Lernerfolg ist dabei schnell, ebenso schnell aber geht das Erlernte auch wieder vergessen. Auf lange Sicht erfolgversprechender ist, die Belohnungen zu dosieren und zu variieren (intermittierende Verstärkung). Ein Falke, der aufs Federspiel geflogen wird, wird agressiver und damit trainingseffizienter Durchgänge fliegen, wenn er immer mal wieder auch nach schon fünf oder zehn Durchgängen das Federspiel schlagen darf und belohnt wird. Auch sollte man die Menge der Belohnung variieren. Um die Federspielbindung und damit den Federspielappell zu verbessern, lohnt es sich, den Beizvogel hin und wieder reichlich auf demselben zu belohnen (Super-Verstärkung).
Mit dem Entzug von Belohnung, was gleichbedeutend ist mit negativer Verstärkung, sollte bedächtig umgegangen werden. Allzu schnell bedingt solches Vorgehen Mißverständnisse in der Kommunikation zwischen Falkner und Vogel und führt zu Fehlverhalten bzw. Rückschlägen im Abtragen. Ein Falke zum Beispiel, der niedrig anwartet und aufs Federspiel eingeholt wird, auf welches er spontan beireitet, wird kaum verstehen, warum er dafür, anders als sonst, keine Belohnung erhält. Er verknüpft die negative Verstärkung nicht mit der geringen Anwartehöhe, sondern mit dem Beireiten.
Klare Kommunikation
Das große Erfolgsgeheimnis beim Abtragen und Einjagen eines Greifvogels (wie überhaupt in der Tierdressur) ist eine klare und konsequente Kommunikation. Was ist damit gemeint? Ganz einfach:
Machen Sie im Umgang mit Ihrem Greifvogel an jedem Tag, am besten zu jeder Stunde des Tages, immer das Gleiche. Je gleicher desto besser!
Nicht nur Sie müssen Ihren Beizvogel verstehen lernen, das Umgekehrte gilt im gleichen Maße. Geben Sie Ihrem Vogel die Chance, durch stereotypes, für ihn leicht erkennbares Verhalten angepaßt und ebenso erkennbar auf Sie zu reagieren. Konsequent angewendet versetzt Sie das in die Lage, mit dem eigenen Verhalten, gezielte Reaktionen bei Ihrem Beizvogel zu provozieren, sprich zu kommunizieren, ohne auf die verstärkende Wirkung einer Belohnung angewiesen zu sein.
Erlauben Sie Ihrem Vogel nicht heute und morgen etwas zu tun, was Sie ihm übermorgen wieder verbieten. Werfen Sie ihn nicht heute und morgen in den nächsten Baum zur „freien Folge“ und wundern sich am übernächsten Tag, daß er – auf der Faust getragen – scheinbar unmotiviert abspringt. Wie soll der Vogel verstehen, daß er heute nicht in die Bäume darf? Inkonsequentes Verhalten bedingt Mißverständnisse, und Mißverständnisse führen zu Fehlverhalten, sowohl beim Falkner als auch beim Vogel.
Nur auf konsequentes und immer gleiches Verhalten des Falkners wird ein Beizvogel mit ebenso gleichem und berechenbarem Verhalten reagieren.
Falkner und Beizvogel verständigen sich vornehmlich über optische und akustische Signale, nicht anders wie wir Menschen im Straßenverkehr. Und hier wie dort gilt: wenn alle die Regeln befolgen, sind Unfälle (Mißverständnisse) nahezu ausgeschlossen. „Rote Ampel“ heißt Stop, das weiß jedes Kind: und zwar heute, morgen und noch in zwanzig Jahren. Ebenso einfach, weil signalgesteuert, kann die Kommunikation in der täglichen Falknerpraxis sein, vorausgesetzt der Falkner hält sich mit eben derselben Konsequenz wie im Straßenverkehr an die kommunikativen Regeln.
Vorausplanend denken und handeln
Vornehmstes Kennzeichen des erfahrenen Praktikers ist, daß er sein Handeln vorausplanen und die darauf zu erwartenden Folgen antizipieren kann. Das gilt gleichermaßen für die gesamte Saisonplanung wie die einzelnen Übungen während des Abtragens und Einjagens. Der erfahrene Falkner steckt sich ein Ziel, auf das hin er handelt. Er entscheidet sich bereits zum Ende der vorangegangenen Saison, welches Wild er im nächsten Jahr mit welchen Vogel beizen möchte (keinesfalls umgekehrt!). Er wählt dafür im Frühjahr den genau passenden Vogel aus und trägt ihn im Sommer Schritt für Schritt auf genau dieses und kein anderes Vorhaben hin ab. Der erfahrene Falkner also agiert (und reagiert nicht) und überläßt nichts dem Zufall. Er weiß vorher, was er mit seinem Tun erreichen will. Ebenso beim Abtragen. Auch hier fördert und entwickelt der erfahrene Praktiker nur solches Verhalten des Vogels, das seinen ganz speziellen Haltungsverhältnissen (z.B. Haltung in einer Reihenhaussiedlung, wo der Vogel tunlichst nicht lahnen sollte), Revierverhältnissen (z.B. stadtnah, hier sollte der Vogel nicht zivilisationsscheu sein) und Wildverhältnissen dienlich ist. Das geht natürlich nur, weil er vorher weiß, was er fördern will und was nicht. Und auch beim täglichen Umgang mit dem Vogel gilt diese goldene Regel: Nur wenn man genau weiß, was man beim Herantreten an einen abzutragenden Beizvogel von diesem will, wird jener es auch verstehen. Überlegen Sie sich daher genau, warum Sie etwas wann, warum Sie etwas wo und warum Sie etwas wie von Ihrem Vogel abverlangen oder erwarten. Versuchen Sie mögliche Entwicklungen abzuschätzen, Störfaktoren vorher- und Einflüsse abzusehen, denn eines steht fest: Fehler beim Abtragen zu vermeiden ist um ein vielfaches einfacher, als einen eingetretenen Fehler wieder rückgängig machen zu müssen.
Falknerei hat heute nichts mehr mit Hungernlassen oder Willensbrechung eines Greifvogels zu tun. In der modernen Falknerpraxis folgen wir dem Prinzip der operanten Konditionierung, dem Lernen am Erfolg, um unsere Beizvögel durch konsequentes Belohnen oder Nichtbelohnen zu gewünschten Verhaltensweisen zu motivieren.
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