Nachdem das Gründungskomitee gebildet und die Namensfindung abgeschlossen war, begann sich im Jahr 1922 die programmatische Ausrichtung des zu gründenden Ordens abzuzeichen. Nicht der traditionelle, der kulturhistorische Aspekt der Falknerei, wie es Dr. Friedrich Jungklaus forderte, sollte das Gesicht des "Deutschen Falkenordens" prägen, sondern die praktische Beizjagd, die Greifvogelkunde und der Greifvogelschutz. Für diese Ziele stand allen voran ein Mann, der in den folgenden 12 Jahren das Ordensgeschehen und den Greifvogelschutz in Deutschland bestimmen sollte: Dr. Fritz Engelmann.
Fritz Engelmann, geboren am 4. April 1874 in Großbodungen im thüringischen Eichsfeld, praktizierte seit der Jahrhundertwende als Allgemeinmediziner in Gera. Wie so viele seiner Landsleute war auch er seit frühester Jugend dem Vogelforschen verfallen, und auch am Jagen und der Hundearbeit fand er große Freude. Daß er trotz seiner ausgedehnten Praxis - im Gegensatz zu manch anderem „Idealisten“ - auch noch Muse für die so zeitintensive Ordensarbeit fand, begründete sich durch zwei seiner vornehmlichsten Charakterzüge: Fleiß und Uneigennützigkeit. Obwohl er später stets das Amt des ersten Vorsitzenden ablehnte, war er doch die unverwüstliche Seele des Ordens. Sein reger Geist, sein klares Urteil und sein schlagfertiger Witz schufen ihm viele Freunde und Anhänger, und ein ums andere Mal war es nur seiner starken Persönlichkeit zu verdanken, daß der wiederholt drohende Zerfall des Ordens abgewendet werden konnte. Gleich Jungklaus korrespondierte auch Engelmann umfangreich mit Ornithologen, Kulturhistorikern und Zoologen des In- und Auslandes über die Falknerei; im Vordergrund seines Interesses standen jedoch stets die Greifvögel, die er so sehr liebte und für deren Schutz er nimmer müde wurde zu kämpfen. Es waren die zukunftsweisenden Visionen Engelmanns, mit denen man im November 1922 die "Freunde der Beizjagd und solche, die es werden wollen, ebenso alle Liebhaber der edlen Falken - gleichviel ob Jäger oder nicht" zur Gründung des Deutschen Falkenordens aufrief.
Mit dem Gründungs-Aufruf im Herbst 1922 trat der Deutsche Falkenorden erstmals öffentlich in Erscheinung. Der vom Gründungskomitee eingesetzte vorläufige Vorstand, unter Vorsitz von Engelmann, formulierte darin die Ziele des Ordens wie folgt: „Die Vereinigung stellt sich einmal die Aufgabe, die altehrwürdige, feine Jagdkunst mit dem ritterlichen Vogel wieder zu beleben, ... Darüber hinaus will der Falkenorden das Gelübde des Falkenschutzes, wie des verwandten Naturschutzes überhaupt, betätigen [und] Drittens ... die Naturgeschichte der Raubvögel, namentlich die weitere Erkenntnis ihrer Lebensweise fördern. Er richtet also auch an die Ornithologen von Fach die Bitte, der Vereinigung beizutreten und sie in jeder Weise zu unterstützen… Dem Beizjäger und dem Liebhaber der Falken, auch wenn er Nichtjäger ist, will er mit Rat und Tat zu Seite stehen ... Er wird ferner versuchen, eine Falkenbörse zu gründen, ... [und] auch Literatur und Kunst sollen gepflegt werden“. Es ist unschwer zu erkennen, daß sich Engelmann mit seinen programmatischen Vorstellungen gegenüber Jungklaus durchgesetzt hatte. Nur mehr die "Falkenbörse", die die Vermittlung von Wildfängen und abgetragenen Beizvögeln übernehmen sollte, sowie der ausdrückliche Hinweis auf die "Pflege von Literatur und Kunst" erinnerten noch an den ersten Satzungsentwurf Jungklaus' vom Frühjahr 1922.
Ob des breiten Zuspruches, den man bis zum Jahresende, insbesondere und unerwarteterweise auch in Ornithologenkreisen erfuhr, ging der Falkenorden gefestigt in das Jahr 1923. Zum Frühjahr hin wurde die erste Mitgliederversammlung ins Auge gefaßt, in der es galt, die Satzung zu beschließen, den Arbeitsplan weiter zu entwickeln und die endgültige Besetzung der Ämter vorzunehmen. Als man dann von Ornithologenseite zu einer reichsweiten Fachtagung in der Pfingstwoche nach Sachsen einlud, entschloß sich der Deutsche Falkenorden sich anzuschließen und seine Gründungsversammlung im Umfeld dieser Veranstaltung abzuhalten. Mit den Vorbereitungen betraut wurde Felix von Bressensdorf, der sie zusammen mit Curt Hetzschold, einem ebenfalls aus Leipzig stammenden Buchhändler, eifrig vorantrieb.
Im Vorfeld der Gründungsversammlung galt es auch, die schon im Gründungs-Aufruf (s.o.) angekündigte "Flugschrift des Deutschen Falkenordens" zusammenzustellen. Es sollte damit den nicht falknerisch vorgebildeten "Mitgliedern" - und das war die überwiegende Mehrzahl - eine moderne Anleitung über die zünftige "Pflege, Zähmung, Ausrüstung und Abtragung zur Beizjagd" an die Hand gegeben werden. Von den ganz wenigen, die seinerzeit schon über eigene praktische Erfahrungen verfügten, waren es Fritz Engelmann und Renz Waller, die sich dieser Aufgabe annahmen. Ihre Abhandlung, die erste moderne zum Thema praktische Falknerei überhaupt, erschien am 11. Januar 1923 als „Flugblatt des Deutschen Falkenordens“ in Bd. 80, Heft 30, der "Deutschen Jäger-Zeitung". Der günstige Umstand, daß mit Baron Otto von Dungern und H. Graf von Münster zwei der Sache des Ordens verbundene Schriftleiter im Verlag J. Neumann wirkten, ermöglichte zum 15. April ein weiteres Schwerpunktheft "Falknerei/Deutscher Falkenorden" in der alten "Neudammerin". Unter einem Deckblatt zusammengebunden ergaben die beiden Hefte die "Flugschrift des Deutschen Falkenordens", die man - erneut mit der größzügigen Unterstützung des Verlages J. Neumann - den Teilnehmern der Gründungsversammlung als Sonderdruck überreichte. Die heute über 80jährige Tradition der Schriften des Deutschen Falkenordens war begründet. |