Bei jedem Neueinsteiger in die Falknerei stellt sich bald die Frage, welcher Vogel für sie oder ihn geeignet ist? Um es gleich vorweg zu nehmen: den Anfängervogel gibt es nicht. Früher waren Turmfalken oder Mäusebussarde, die durch Unfall oder Krankheit in Menschenhand gerieten, häufige „Erstlingsvögel“. In der Regel folgte dann der Habicht. Als Allzweckjäger, wegen seiner Leistungsfähigkeit und seinem breiten Beutespektrum, inbesondere jedoch wegen der Allgegenwärtigkeit des vornehmlichen Beizwildes, des Wildkaninchens, eignete er sich als Beizvogel für nahezu jeden Falkner. Erst wer über Jahre hinweg entsprechende Jagdmöglichkeiten und Kontakte aufgebaut hatte, stieg irgendwann zum „Wanderfalkner“ auf. Einen Falken zu fliegen war früher ein Privileg.
Heute, 30 Jahre nach den ersten regelmäßigen Zuchterfolgen mit Greifvögeln in Deutschland, hat sich die Situation grundlegend verändert. Heute gibt es gezüchtete Greifvögel jeder Art, in jeder Größe und in jeder Couleur für jedermann zu kaufen. Das Angebot übersteigt tatsächlich mittlerweile die Nachfrage, und entsprechend ist es heute – anders als früher – auch kein Privileg mehr, diesen oder jenen Vogel fliegen zu können oder zu dürfen. Entsprechend veraltet ist denn auch die Einstellung, wonach der Jungfalkner keinen Falken, sondern zuerst einen Habicht fliegen sollte.
An anderer Stelle wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich das Aufstellen eines Beizvogels nur dann empfiehlt, wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind; dies gilt für den erfahrenen Praktiker ebenso wie für den Anfänger. Jeder sollte sich den Vogel aufstellen, der am besten zu seinen individuellen Jagd-, Wild- und Zeitverhältnissen paßt. Dies kann im ersten Fall ein Wanderfalke sein, wenn man sich der Krähenbeize verschrieben hat oder wenn man Pächter eines großen Feldrevieres mit entsprechendem Fasanenbesatz ist; in einem anderen Fall kann es ein Habicht, ein Harris Hawk oder Rotschwanzbussard sein, wenn die Verhältnisse „nur“ die niedere Beize erlauben.
Der einzige Vogel, der sich grundsätzlich für den Anfänger verbietet, ist aufgrund seiner Größe, Kraft und potentiellen Gefährlichkeit der Steinadler.
Falken sind für Anfänger insofern geeignet, als sie pflegeleicht im Umgang und einfach abzutragen sind. Man kann das Beizvogelmanagement kaum besser als mit einem Falken erlernen. Das Einjagen des Falken indes überfordert die meisten Jungfalkner bereits, von der Jagd selbst ganz zu schweigen. Die Kontrolle über einen frei, im endlosen Weit des Luftraums jagenden Falken zu behalten, erfordert ein Vielfaches mehr an Erfahrung als das Fliegenlassen z.B. eines Habichts auf ein frettiertes Kaninchen. So einfach und nachgiebig Falken im Umgang sind, so unverzeihlich reagieren sie auf Fehler beim Einjagen und im Jagdmanagement. Dies gilt besonders für alle Hierofalkenarten, die wesentlich adaptiver reagieren und distinktiver lernen als die schematischen Wanderfalken. Ein Sakerfalke z.B. ist daher kein Anfängervogel! Lassen Sie sich bitte nichts Gegenteiliges von einem Züchter weismachen; er will nur Ihr Geld, nicht Ihr Bestes!
Ebenfalls nichts für den Einsteiger ist die Anwartefalknerei. Einige verpaßte Chancen, einige schlecht hochgemachte Fasane oder Hühner, vielleicht ein übereifriger Hund, verbunden mit einem zufälligen Taubenerfolg und der Falke verliert die Jagdbindung. Ihn danach wieder zum Steigen und punktuellen Anwarten zu bringen, ist eine wirkliche Kunst! Auch steht und fällt der Erfolg in der Anwartefalknerei mit ei-nem guten Vorstehhund. Ohne Hund ist sie gänzlich unmöglich, ohne guten Hund nicht stilvoll durchzuführen. Kaum ein Anfänger wird zudem regelmäßige Beizerfolge gewährleisten können; ohne diese aber ist einem Falken punktgenaues und andauerndes Anwarten nicht beizubringen.
Ähnlich verhält es sich mit der Krähenbeize: Wird der Falke anfangs nicht richtig motiviert, d.h. auf passende Krähen geworfen, vielleicht gar zwei- oder dreimal von Altkrähen verletzt, gehören „Schwarze“ fortan mit Sicherheit nicht mehr zum Beutespektrum dieses Falken. Es ist leider Realität, daß die Rabenkrähe heute eine der letzten Wildarten ist, die mit einiger Regelmäßigkeit anzutreffen und zu beizen ist. Dieser Umstand sollte den Anfänger jedoch nicht zum Irrtum verleiten, hier ein leichtes Betätigungsfeld vorzufinden. Tatsächlich ist die Rabenkrähe ein Beizwild des „hohen Fluges“, und der „hohe Flug“ galt früher nicht ohne Grund als die Krone der Falknerei! Ergo: auch wenn der Falke von seiner Mentalität her ein geeigneter Anfängervogel zu sein scheint, überfordert er tatsächlich doch die meisten ambitionierten Jungfalkner.
Eine Modeerscheinung seit etwa fünf Jahren ist der Harris Hawk. Sein falkenähnliches Gemüt, seine leichte Handhabung, bei gleichzeitigen großen jagdlichen Fähigkeiten haben diesen Vogel, nachdem er zu guter Letzt auch seinen Weg nach Deutschland gefunden hatte, schnell zu einem beliebten Anfängervogel werden lassen. Gutmütig, wenig scheu, ja im Gegenteil den sozialen Kontakt zum Falkner geradezu suchend, läßt sich mit dem Harris Hawk der Umgang mit einem Greifvogel sehr einfach erlernen. Doch ähnlich dem Falken bringt das Einjagen des Harris' den Jungfalkner häufig an seine Grenzen. Der Wüstenbussard ist ein sehr intelligenter Vogel, dessen Entwicklung mit dem ersten Jahr nicht vergleichbar abgeschlossen ist, wie etwa beim Habicht. Kaum ein junger Harris schafft es zum Rekordvogel, zumeist kommt erst im zweiten Jahr der Durchbruch. Resümee: Der Harris Hawk – und hier wegen der größeren Leistungsfähigkeit: das Weib – ist für den Anfänger ein durchaus geeigneter Beizvogel.
Der Habicht – und hier das Weib – gilt seit jeher als der ideale Anfängervogel. Auf den ersten Blick mag dies widersprüchlich erscheinen, weiß man doch landauf, landab um sein nervöses und streßanfälliges Verhalten. Und tatsächlich ist das Beizvogelmanagement beim Habicht, einmal abgesehen von Sperber und Steinadler, das schwierigste von allen Beizvögeln; zugegeben, eine für den Anfänger nicht eben ermutigende Aussicht. Und doch: kein anderer Vogel verzeiht Fehler beim Abtragen, Einjagen und der Jagd selbst besser als der Habicht. Und hat man den Vogel erst einmal am Jagen, gibt es keine andere Beizvogelart, die so leicht, so schnell und so kompromißlos Beute macht, wie eben dieser. Das Erlernen von Jagdabläufen und Jagdstrategien, will sagen das Erlernen des Beizjagens, ist für den Anfänger mit dem Habicht mit Abstand am einfachsten zu erreichen. Ob Weib oder Terzel spielt beim Habicht keine große Rolle, wenngleich das Weib auf das Hauptbeizwild Kaninchen gewisse Größenvorteile hat, was dem Anfänger beim Einjagen zugute kommt. Die landläufige Meinung, wonach nur wenige Terzel wirklich gute Kaninchenfänger werden, ist jedoch völlig haltlos.
Ganz gleich für welchen Vogel er sich entscheidet, über eines sollte sich der Anfänger stets im Klaren sein: Nur in den seltensten Fällen wird der erste Vogel ein Rekordvogel (wenn überhaupt, wird man dies am ehesten mit einem Habicht erreichen). Mangelnde Erfahrung im Umgang mit dem Greifvogel, Fehler beim Abtragen und Einjagen sowie fehlende Voraussetzungen im Umfeld des Beizbetriebes sind die wesentlichen Gründe dafür.
Abschließend sei jedem Anfänger nachdrücklich geraten, sich vor dem Aufstellen eines eigenen Beizvogels, ja besser schon vor dem Ablegen der Falknerprüfung, einem praktischen Falkner in der näheren Umgebung anzuschließen und bei diesem das Falknerhandwerk durch Zuschauen, Mitgehen und Mitmachen zu erlernen. Es ist so viel einfacher, die Falknerprüfung zu bestehen, wenn man das gesamte Beizvogelmanagement aus der Praxis her kennt; und es ist so viel einfacher (und erfolgreicher), unter Anleitung den ersten Beizvogel abzutragen, als im stillen Kämmerlein, hinter verschlossenen Türen, die immer gleichen Fehler und Frustrationen der altvorderen Falknergenerationen zu wiederholen bzw. noch einmal zu durchleben. Noch selten ist ein Meister vom Himmel gefallen; schon gar nicht bei der Falknerei!
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