Falknerei.de - Topthemen | Über die Kunst mit Vögeln zu jagen - Lesenproben I
| | | Copyright-Hinweis: Die deutsche Übersetzung "Über die Kunst mit Vögeln zu jagen" des kaiserlichen Falkenbuches ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. | | | | | | | Wir haben dargelegt, wo und auf welche Weise man Nestlinge wie Wildfänge findet und fängt, was mit ihnen geschehen muß, bevor man sie auf die Hand stellt, und wie man sie trägt. Ehe wir uns aber der Frage zuwenden, wie sie locke zu machen sind, denn dann erst kann man sie von der Hand fliegen lassen, sollen hier noch einige Betrachtungen darüber folgen, welche Eigenschaften ein Falkner besitzen muß, welche Absichten er bei der Zähmung und Haltung haben soll und woran er erkennt, ob seine Beizvögel gesund sind; denn der Erfolg der Abrichtung hängt sehr von ihrem Wohlbefinden ab.
Ein jeder also, der die Kunst der Beize erlernen und ausüben will, muß, um über die Aufzucht der Falken, ihre Wartung und Zähmung, ihre Abrichtung für die Beize und deren Ausübung, endlich auch über die Behandlung im Krankheitsfall genügend unterrichtet zu sein, alles das in sich aufgenommen haben, was von uns schon vorgetragen wurde und was wir weiterhin in diesem unserem Werk noch ausführen werden. Dann erst, von einem Würdigeren diesen Namen empfangend, kann er sich mit Recht Falkner nennen. Er soll mittelgroß sein, damit er wegen Übergröße nicht zu träge und wenig beweglich noch wegen zu kleinen Wuchses allzu beweglich – sei es zu Pferd oder zu Fuß – ist. Er soll von mittlerer Körperfülle sein; denn ein allzu magerer Mann würde Arbeit und Kälte nicht ertragen, ein allzu schwerer und dicker aber Anstrengung und Hitze scheuen und deshalb träger und langsamer sein als für diese Kunst erwünscht. Sie darf ihn sowenig wie die damit verbundene Mühe verdrießen. Er muß sie vielmehr lieben, und zwar so ausdauernd, daß er ihr auch im hohen Alter nicht weniger zugetan ist, weil alles der Liebe entspringt, die man für die Kunst empfindet. Da nämlich die Pflege dieser Kunst ein weites Feld ist, ihre Ausübung immer wieder durch neue Methoden verfeinert wird, darf man in seinem Bemühen nie erlahmen, sondern muß sein Leben lang fortstreben, es in ihr zu immer größerer Vollkommenheit zu bringen.
Der Falkner muß einen klaren Verstand besitzen; denn wenn er auch vieles von erfahrenen Kennern dieser Kunst lernen kann, muß er doch auch selbständig überlegen und entscheiden können, was in unvorhergesehenen Fällen notwendig; ist es doch unmöglich, jedes einzelne und neue Vorkommnis beim guten beziehungsweise schlechten Verhalten der Raubvögel aufzuzeichnen. Da sie nämlich sehr verschiedener Art sind, wäre es viel zu mühsam, alle aufzuschreiben; deshalb muß der Falkner im Einzelfall auf Grund eigener Überlegung und mit Hilfe unseres Werkes bestimmen, was erforderlich ist.
Er soll über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügen, um sich das Gute wie das Schlechte einzuprägen, das sich im Umgang mit den Falken, sei es von seiner Seite, sei es durch die Vögel oder Dritte, ereignen kann, und damit er beim nächsten Mal eifrig nach dem, was gut war, trachte, das Schlechte und Ungemäße aber vermeide. Er soll ein sehr scharfes Auge haben, damit er schon in weiter Ferne die Vögel erkennt, auf die er jagen will; seinen Beizvogel, wenn er davonfliegt, mit den Blicken folgen kann und auch alles andere genau wahrnimmt, was notwendigerweise beobachtet werden muß.
Er soll ein gutes Gehör haben, denn dann unterscheidet er leichter den Vogelstimmen, wo sich jene befinden, die er sucht. Auch hört er dann seine Begleiter und die Bell seines Beizvogels besser, wenn er weggeflogen ist; ja, manchmal kann er sogar am Geschrei der Vögel feststellen, in welche Richtung der Ausreißer geflogen ist [...] | | | | | Das Bestreben eines jeden Falkners sollte darauf gerichtet sein, Beizvögel zu besitzen, die in der Kunst erfahren sind, andere Vögel und gewisse Vierfüßler zu schlagen, worin die Kunst zu ihrer Vollendung gelangen soll. Weil sich aber die Raubvögel von Haus aus vom Menschen am liebsten ganz fernhalten und entsprechend ihren natürlichen Eigenarten und Gewohnheiten einen Widerwillen gegen ihn haben, streben sie aus gutem Grunde – denn sie fürchten, von ihm festgehalten zu werden, und suchen deshalb ihre Flugfedern und sich selbst vor ihm zu schützen – immerzu von ihm weg. Darum bedürfen wir, wenn wir unser Vorhaben verwirklichen wollen, der Kunst, bestimmter Hilfsmittel und des Meisters, um die Raubvögel, wenn auch nicht ganz und gar ihrer eigenen Natur zu entfremden, so doch dahin zu bringen, daß sie ihre natürlichen Eigenheiten und Gewohnheiten ablegen und dafür jene künstlichen annehmen, nämlich mit dem Menschen gemein zu werden und zu ihm zurückzukehren. Durch Härte anerzogen, wird ihnen dieses Betragen mit fortschreitender Zeit schließlich auch zur Eigenart, Gewohnheit und zweiten Natur. Doch der Raubvogel, der ein seiner eigentlichen Natur so entgegengesetztes Verhalten annehmen soll, muß selbst die Handhabe bieten, mit deren Hilfe man seine Natur fast in ihr Gegenteil verkehren kann. Nur sein Geschmackssinn kommt dafür in Frage, da alle übrigen Sinne solchem Vorhaben widerstreben. Denn Sehen, Hören und Fühlen drängen ihn, möglichst weit vom Menschen entfernt zu leben, weil es ihm, ebenso wie den übrigen Tieren, schrecklich ist, in sein Antlitz zu schauen, sowie anderes, das mit dem Menschen zusammenhängt und ihm fremd ist, zu sehen; ferner weil er berühren soll, was zu berühren er nicht gewohnt ist, und sich auf eine ihm ungewohnte und fürchterliche Weise anfassen, betasten und behandeln zu lassen, und schließlich auch noch, weil er die Stimmen der Menschen und andere ihm unbekannte Geräusche hören soll. Denn daß sie vom Menschen festgehalten werden, Geschüh an den Füßen haben, angebunden auf ihrem Sitz stehen und auf der Hand geatzt werden, daß sie in der Nähe des Menschen weilen müssen, fortfliegen möchten, wie es ihrer Natur entspräche, es aber nicht können, daß sie Bell und Haube tragen müssen, daß sie, nachdem man sie losgelassen, wiewohl frei und Herr über sich selbst, dennoch zum Menschen zurückkehren, ihn erwarten sollen, wenn er auf sie zugeht, daß sie in Häuser eingesperrt gehalten werden, alles das ist ihrer eigenen Natur durchaus zuwider. Also bleibt allein der Geschmackssinn, sie daran zu gewöhnen, den Menschen zu sehen, von ihm berührt zu werden, ihn und was mit ihm zusammenhängt zu hören, wie auch an alles andere, wovon die Rede war. | | | | | Gleich nachdem der Falke losgebräut worden ist, soll er, wie wir schon sagten, einige Tage lang im Hause auf der Hand locke gemacht werden. Bevor man ihn dann aber ins Freie trägt, muß man ihn, weil es draußen viel Neues - zudem im hellen Tageslicht ganz deutlich - zu sehen gibt, ferner weil er sich im Freien leicht seiner früheren Wildheit erinnert und dort viel Anlaß hat, unruhig zu werden, den einen oder anderen Tag zuvor kurzhalten und sehr hungrig werden lassen, damit er draußen um so gieriger das Zieget annimmt, was aus den eben genannten Gründen unbedingt notwendig ist. In welchem Ausmaß das geschehen muß, hängt vom Grad seiner Wildheit, Magerkeit und Atzhitzigkeit ab. Denn sollte seine Gier so groß sein, daß sie seine Wildheit übertrifft, was man daran erkennt, daß er ihretwegen das Zieget nicht ausläßt, wenn irgend etwas geschieht, das ihn sonst beunruhigt, braucht er nur wenig zu fasten. Wenn aber umgekehrt seine Wildheit stärker als seine Atzhitzigkeit, wofür ein Zeichen ist, daß ihn das Zieget nicht abhält, sich aus Furcht zu beunruhigen, muß man ihn strenger fasten lassen; wie überhaupt den sehr mageren weniger, den sehr wilden mehr.
Nachdem er also im Hause locke gemacht und entsprechend hungrig geworden ist, soll er vom Falkner ins Freie getragen werden; und zwar zunächst zu Fuß, dann zu Pferde, um ihn an all das zu gewöhnen, was außerhalb des Hauses zu sehen ist. Ist das Wetter günstig – worüber im folgenden Kapitel noch das Notwendige gesagt werden wird –, erhebe sich der Falkner vor Tagesanbruch, nehme den Falken von seinem Sitz auf die Hand und trete mit ihm, solange es noch dunkel ist, vors Haus, damit, ebenso wie das Licht des Tages nicht plötzlich, sondern erst allmählich immer heller wird, auch der Falke erst nach und nach wahr-nimmt, was es draußen zu sehen gibt; zunächst gleichsam wie durch einen Schleier, dann immer deutlicher und zum Schluß ganz klar. Recht nützlich und gut ist es, wenn der Falkner zuvor schon einige Male mit dem halb losgebräuten Falken so ins Freie geht, und dann erst den völlig losgebräuten zunächst zu Fuß hinaus trägt, dabei genau unsere Vorschriften beachtend und befolgend.
Besonders günstig ist nebliges Wetter oder etwas Nieselregen, der wie Tau fällt, weil dann der Falke alles weniger deutlich sieht und sich, weil er naß wird, nicht nur weniger fürchtet, sondern auch weniger Lust hat zu springen, und wie alle Tiere wird auch er bei solchem Wetter verdrießlich. | | | | | Da aber der Falkner auf dem Weg ins Freie durch die Haustür treten muß, wobei dem Falken, besonders wenn er in diesem Augenblick springt, etwas Böses zustoßen kann, wollen wir zunächst noch darlegen, wie man mit dem Falken so durch eine Tür geht, daß er dabei keinen Schaden nimmt. Sooft der Falkner mit ihm durch eine Tür hinein- oder hinausgehen will, lege er ihm mit den Lockrufen für die Atzung das Zieget vor die Füße; schickt der Falke sich an, hineinzubeißen, trete der Falkner mit der Seite seines Körpers, an der sich der Falke nicht befindet, zuerst unter die Tür. Die Hand, die ihn trägt, soll er von sich weg nach rückwärts ausstrecken. Dann muß er, den Kopf zur Tür herausbeugend, in die Richtung Ausschau halten, wohin er sich wenden will. Bemerkt er etwas, das den Falken erschrecken könnte, muß er dafür sorgen, daß es sich entweder weiter entfernt oder, wenn möglich, ganz verschwindet. Dann erst überschreite er die Schwelle, und wenn er draußen ist, nehme er dem Falken das Zieget wieder ab. Diese Vorschriften soll man so lange genau befolgen, bis die Wildheit des Falken überwunden ist. | | | | | Trüge man ihn ins Gelände, um mit ihm zu beizen, und der Vogel, auf den er geworfen werden soll, befände sich an einer weithin sichtbaren Stelle, so müßte dem nicht verkappten Falken, bis man auf die richtige Entfernung zum Abwurf herangekommen ist, das Zieget entweder vorgehalten werden oder auch nicht. Unterläßt man es, wird der Falke den Vogel erspähen, vielleicht aber auch nicht. Sieht er ihn, wird er sich so aufregen und durch die Begierde, ihn anzugreifen, so sehr ermüden, daß er, bis er geworfen wird, die Lust dazu wieder verliert und, ermüdet wie er ist, ihn kaum noch erreicht. Gelänge es ihm dennoch, wird er ihn, besonders wenn es sich um einen großen Vogel handelt, nicht festhalten können; außerdem würde kein Vogel, die Erregung des Falken bemerkend, abwarten, bis man den Falken wirft, sondern vorher schon abstreichen. Damit er sich ruhig bis an die geeignete Abwurfstelle tragen läßt, muß man ihm entweder das Zieget oder den kalten Flügel geben. Nimmt man letzteren, wird der Falke deswegen nicht aufhören, sich aufzuregen und weiter nach dem Vogel hinzuschauen; bekommt er aber das fleischige Zieget, wird er so viel davon kröpfen, daß er schwer davon abzubringen und kaum mehr auf jenen Vogel scharf sein wird. Nimmt man es ihm dann wieder fort, wird er gegebenenfalls gebannt auf die Hand schauen, die es ihm zuvor hinhielt, und gar nicht mehr auf jenen Vogel fliegen wollen. Läßt man ihn aber auf den Vogel los, wird er, sich des Fleisches erinnernd, das er gerade bekommen, seine Beute immer unlustiger verfolgen. Alle diese Nachteile lassen sich vermeiden, wenn man den Falken bis zu der Stelle, wo er geworfen werden soll, verkappt trägt.
Das alles beweist die Vorzüge der Haube; daß sie beim Locke-machen wie auch bei der Beize geeigneter und weit notwendiger ist als das Zieget. Daraus folgt also, daß das Locke-machen mit der Haube zu billigen ist. Jedoch wollen wir damit nicht sagen, daß wir, indem wir diese Art der Zähmung besonders loben, jene andere mit dem Zieget ohne Haube völlig verwerfen. Beide haben ihre besondere Aufgabe zu erfüllen, und den jeweiligen Erfordernissen entsprechend soll man sich beider bedienen. Sie sollen sich gegenseitig ergänzen, und durch ihre gleichzeitige Anwendung wird das Locke-machen besser und schneller erreicht als durch jenes oder diese allein. Mit Hilfe des Ziegets, das der Falke zu Beginn des Lockemachens besonders schätzt, gewöhnt man ihm seinen natürlichen Haß gegen den Menschen ab und bringt ihn dazu, ihn gern zu haben. Mit der Haube aber wird man ihn stets ruhiger halten können und damit sein Gefieder, seine Kräfte und Glieder in heilerem Zustand. Das Locke-machen selbst geschieht mit ihr in allem und jedem auf die gleiche Weise wie ohne sie; es ist also nichts weiter hinzuzunehmen als die Haube selbst.
Da man heutzutage das Locke-machen mit der Haube häufiger bei Falken als bei Habichten anwendet, geben wir hier nur dafür die entsprechenden Vorschriften und lehren, wie man Falken verkappt. Jedoch kann man auch die anderen Raubvögel, deren sich die Menschen zur Jagd bedienen, auf die gleiche Weise mit der Haube locke machen. | | | |